I. Rechtliche Ausgangssituation
1. Augenblickliche Situation der Zirkusse
Die Zirkusbranche in Deutschland ist sehr unterschiedlich strukturiert. Neben einer relativ geringen Anzahl von Groß- und Mittelunternehmen (ca. zehn) existieren im gesamten Bundesgebiet hauptsächlich Klein- und Kleinstzirkusse. Dabei wird zwischen Engagementzirkussen (teilweise auch Großzirkusse genannt) und Familienzirkussen (Kleinzirkusse) unterschieden. Es sollen hier zwischen 300 und 350 Zirkusunternehmen existieren. Eine genaue Statistik existiert nicht.
Die meisten Zirkusse in der Bundesrepublik sind Familienzirkusse, d.h. echte Familienbetriebe, die keine oder kaum „fremde“ Artisten bzw. Künstler engagieren sondern das „Personal“ aus der Familie „rekrutieren“. Diese Betriebe reisen meist auch nicht durch die gesamte Bundesrepublik sondern operieren in einem örtlich begrenzten Raum.
Die Engagementzirkusse arbeiten hingegen hauptsächlich mit Artisten und Arbeitern. Diese gehören dem Familienverband nicht an und werden meist nur für eine Saison engagiert. Diese Zirkusse sind auch überregional bekannt und reisen sowohl durch das gesamte Bundesgebiet, als auch innerhalb Europas, manche auch nach Übersee. Zirkusse reisen in der Regel im Zeitraum Frühjahr bis Herbst und beziehen im Winter ein festes Quartier.
2. Rechtlicher Überblick
Spezielle Gesetze über Zirkusse, Artisten bzw. Zirkusarbeiter gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Zirkusse und die in ihm tätigen Personen sind jedoch mit einer Fülle von gesetzlichen Regelungen konfrontiert. Das ergibt sich auch aus der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland. Nach Art. 70 Abs. 1 GG sind für die Gesetzgebung, also den Erlass von Gesetzen, alle 16 Bundesländer zuständig. Nur in bestimmten, im Grundgesetz ausdrücklich genannten Fällen, besitzt der Deutsche Bundestag das Gesetzgebungsrecht. Das hat zur Folge, dass Zirkusse, die innerhalb der Bundesrepublik reisen zum Beispiel, teilweise mit bis zu 16 verschiedenen Regelungen über die Sicherheit des Zirkuszelts in Berührung kommen können. Auf den folgenden Themengebieten sind wir regelmäßig für Zirkusunternehmen tätig und unterstützen diese außergerichtlich und gerichtlich gegen Städte, Gemeinden und Behörden:
Zirkusse sind gemäß der Gewerbeordnung Schaustellern gleichgestellt. Sie benötigen wie Schausteller eine sog. Reisegewerbekarte, das heißt eine Erlaubnis, das Gewerbe (den Zirkus) ohne feste, permanente Niederlassung auszuüben. Diese Erlaubnis gilt uneingeschränkt für das gesamte Bundesgebiet und wird personenbezogen für jeweils ein oder zwei Jahre, beziehungsweise unbefristet ausgestellt.
Anders als in vielen europäischen Ländern wird der Zirkus in Deutschland nicht als „Kulturinstitution“ eingestuft, wenngleich dies in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik der Fall war.
Bundeseinheitlich ist auch die Tierhaltung geregelt. Das Tierschutzgesetz ist ein Bundesgesetz und regelt den Umgang und die Haltung von Tieren, auch von Zirkustieren wie Elefanten, Bären, Affen, Kamelen und Pferden. Außerdem hat das Bundesministerium für Landwirtschaft zum Thema Tiere im Zirkus sogenannte „Leitlinien für die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben oder ähnlichen Einrichtungen“ veröffentlicht. Diese „Leitlinien“ sollen zum einen den Menschen, die im Zirkus mit Tieren umgehen aber auch Behörden und Gerichten Entscheidungshilfe geben. In Art. 20 a GG hat der Schutz der Tiere Verfassungsrang erhalten. Daraus resultiert eine ständige Weiterentwicklung des Tierschutzes auch in Zirkusbetrieben.
Die Sicherheitsanforderungen an die Fahrzeuge des Zirkus sind ebenfalls bundeseinheitlich geregelt. Fahrzeuge, welche für die Beförderung im Schausteller- und Zirkusgewerbe genutzt werden, sind von der Pflicht zur Benutzung von Fahrtenschreibern befreit. Es gibt bestimmte Erleichterungen bzgl. der Kraftfahrzeugsteuer.
Alle Zirkusunternehmen müssen sich mit Fragen des Ausländerrechts auseinandersetzen, falls sie Artisten, insbesondere aus osteuropäischen Ländern, die nicht EU-Mitglieder sind, beschäftigen.
Werden Speisen und Getränke verkauft, ist hierfür eine Erlaubnis nach dem bundesweit geltenden Gaststättengesetz erforderlich. Diese Erlaubnis wird von den Gemeinden und Städten unmittelbar ausgestellt. Die Ausgaben von Speisen und Getränken unterliegt den Regelungen des Lebensmittel- und Hygienerechts.
In den Bauordnungen der einzelnen Bundesländer werden die Sicherheitsvorschriften bezüglich der Zirkuszelte geregelt.
Eine spezielle gesetzliche Regelung über Urheberrechtschutz für Zirkusse und Artisten gibt es in Deutschland nicht. Sofern sich ein Artist eine „Nummer“ selbst ausgedacht und erarbeitet hat, steht ihm in gewissem Umfang ein Urheberrecht nach dem Urheberrechtsgesetz zu. Gegebenenfalls kann er bei Nachahmung auf Unterlassung klagen. Dies trifft in der Praxis jedoch auf Probleme bei der Beweisführung, der angesichts der großen Anzahl von Zirkussen und Artisten nicht ohne Weiteres nachzuvollziehen ist, welcher Artist tatsächlich der „geistige Vater“ der entsprechenden Darbietung ist.
3. Rechtliche Problematiken
Die föderale Struktur Deutschlands mit bis zu 16 verschiedenen Regelungen, zum Beispiel über die Anforderungen an die Sicherheit der Zirkuszelte etc. einerseits, sowie die Behandlung des Zirkus als normaler Gewerbebetrieb andererseits, lassen unberücksichtigt, dass Zirkusse und die dort tätigen Menschen über keinen festen Sitz verfügen, sondern ständig reisen. Nach dem geltenden Melderecht ist jedoch jede Person in Deutschland verpflichtet, einen sog. ersten Wohnsitz zu haben. Nur mit einem festen ersten Wohnsitz ist es möglich, einen Wagen, LKW oder eine Zugmaschine anzumelden, die für die Tournee benötigt werden.
Der erste Wohnsitz ist definiert als der Ort, an welchem sich der Lebensmittelpunkt befindet, das heißt der Ort des überwiegenden ständigen Aufenthalts. Da die Zirkusse zumindest im Sommer meistens ohne Pause reisen, ist es schwierig, einen solchen Ort des ständigen Aufenthalts zu bestimmen. Im Winter beziehen Zirkusse entweder jedes Jahr das gleiche Winterquartier oder müssen zum Winterbeginn jeweils ein Quartier anmieten. Es gibt Meldebehörden, die das Winterquartier selbst oftmals nicht als festen Wohnsitz anerkennen. Insoweit kollidiert das Deutsche Melderecht, das von einer ausschließlich sesshaften Bevölkerung ausgeht, mit den beruflich reisenden Zirkusunternehmen.
Häufig sind öffentlich-rechtliche Körperschaften bemüht, mit den Instrumenten des Verwaltungsrechts Gastspiele von Zirkussen zu verhindern. So wird immer wieder auch an unterschiedlichen Orten an Deutschland versucht, sogenannte „Auftrittsverbote für Wildtiere“ durchzusetzen. Die Verwaltungsgerichte haben hier noch keine einheitliche Linie gefunden, obwohl es gewichtige verfassungsrechtliche Gründe gibt, solche Verbote von Städten aus verfassungsrechtlichen Gründenaufzuheben. Auf gleichem Niveau liegen Versuche von Gemeinden, Plakatwerbung anlässlich von Zirkusgastspielen in Gemeinden zu verbieten. Hier werden die Grundrechte von Zirkusinhabern auf ungehinderte Ausübung der Berufsfreiheit aus Artikel 12 Abs. 1 GG häufig nicht ausreichend von Kommunen berücksichtigt.
4. Finanzielle Unterstützung / Steuern
Da Zirkusse nach deutschem Recht nicht unter den Kulturbegriff fallen, vielmehr als normaler Gewerbebetrieb gelten, erhalten die Zirkusse als solche keine Subventionen oder andere öffentliche Unterstützung.
Davon zu unterscheiden ist die Gewährung von öffentlichen Leistungen. Bei geringen Einnahmen übernehmen die Sozialämter gegebenenfalls die Zahlung der Krankenkassenbeiträge. Soweit Beschäftigte eines Zirkus wegen eines nachweislich zu geringen Einkommens den notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht voll bestreiten können, gewähren die öffentlichen Sozialämter in den Städten, in denen der Zirkus gastiert, sog. „Sozialhilfe“ nach dem SGB XII gem. den gesetzlichen Bestimmungen.
II. Arbeitsrecht
Wenn Artisten von sog. Engagementzirkussen meist für einen Saison engagiert werden, kann es sich hier um normale Arbeitsverträge handeln und nicht lediglich um Werkverträge. Die rechtliche Abgrenzung ist nicht einfach. Die Einordnung als Arbeitsvertrag hat die Folge, dass das Zirkusunternehmen Arbeitgeber im Sinne des deutschen Arbeitsrechts sind. Der Arbeitgeber muss dann für die Artisten anteilig Beiträge für die Krankenkasse und die Berufsgenossenschaft abführen, sodass im Krankheits- oder Verletzungsfall auch auf die Leistungen dieser Versicherungen zurückgegriffen werden kann. Wir prüfen solche Verträge im Voraus und beraten Zirkusunternehmen.
III. Verträge und Unternehmensgestaltung
Wir haben vom „Übernahmevertrag“ von Zirkusunternehmen bis zu Kaufverträgen von Zirkusinventar schon alle denkbaren vertraglichen Vereinbarungen "maßgeschneidert" entwickelt. Dazu gehören auch die gesamte Palette von Unternehmensgründungsverträgen, auch zur Abwendung von Zwangsverwertung artengeschützter Tiere durch Staatsanwaltschaften und Verwaltung so haben wir die insolventen Eigentümer von Elefanten zu Kommanditisten einer GmbH & Co. KG gemacht und das Registergericht hat diese Gesellschaften eingetragen.
IV. Strafrecht
Unsere Kanzlei vertritt Verantwortliche und Mitglieder von Zirkusunternehmen auch in Ermittlungsverfahren und in den jeweiligen Hauptverhandlungen im In- und Ausland. Wir bemühen uns hier nicht selten mit Erfolg um Einstellung der Strafverfahren nach § 153 StPO.
V. Zusammenfassung
Deutschland ist das Land mit der größten Dichte an Zirkussen in der Europäischen Union. Die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland, die zu unterschiedlichen Rechten in den einzelnen Bundesländern führt, erschwert den Zirkussen die tägliche Arbeit immer wieder. Daraus ergeben sich eine Vielzahl von rechtlichen Konflikten.
Im Magazin der Süddeutschen Zeitung, Nr. 26 vom 01.07.2011 ist auf Seite 12 nachzulesen:
„Es gibt nicht mehr viele Menschen, die sich für den Zirkus interessieren und einsetzen. Einer ist Ernst Fricke, Anwalt und Professor für Verwaltungsrecht in Landshut.“ Das fahrende Volk war bei den Gemeinden immer schon unbeliebt“, sagt er. Fricke vertritt Zirkusfamilien in ganz Deutschland. Er prozessierte in München und Heidelberg gegen Wildtierverbote, die er für Willkür hält, weil „viele Gemeindetierärzten nicht einmal den Unterschied zwischen einem Kamel und einem Lama kennen“. Gegen die Stadt Donauwörth klagte er, weil sie sich weigerte, einen Zirkus mit Strom und Wasser zu versorgen“. Eines der größte Probleme für Zirkusbetreiber sind Städte und Gemeinde, die ihnen das Plakatieren verbieten oder viel Geld dafür verlangen. In Hamburg musste der Zirkus „Manege“ seine 500 Plakate wieder abhängen weil sie laut Stadtverwaltung den Verkehr gefährden und das Stadtbild verschandeln. In Regensburg kostet ein Plakat pro Woche 90 Cent.