Unter dem Titel „Gut Ding braucht Weile – der Rechtsstaat, die Öffentlichkeit und die Kritik an der Justiz“ veröffentlichte Prof. Dr. Ernst Fricke einen Buchbeitrag in dem aktuellen Buch der Herausgeber Sascha Pommrenke und Marcus B. Klöckner, das vor wenigen Tagen im Westend Verlag erschienen ist.

Buchcover Über sieben Jahre wurde Gustl Mollath in verschiedenen forensischen Psychiatrien weggesperrt. Zweifelhafte Anklagen wegen angeblicher Straftaten führten zu einem langjährigen Martyrium. Mollath hat gestört, war unbequem. Er zeigte Schwarzgeldverschiebungen, Kapitalflucht und Geldwäsche in großem Umfang an. Und machte sich damit Feinde. Verurteilt von Staatsanwälten, Richtern, Psychiatern, Politikern und Medien als gemeingefährlicher Wahnsinniger. War es Verantwortungslosigkeit, Inkompetenz, eine Verkettung unglücklicher Umstände, eine Verschwörung oder ein Systemfehler? Die insgesamt 16 Autoren und Gustl Mollath selbst nehmen sich der „Causa Mollath“ an.

Rechtsanwalt Prof. Dr. Ernst Fricke befasst sich in seinem Beitrag (S. 59 – 74) mit der Justiz und der Notwendigkeit einer umfassenden und kritischen Gerichtsberichterstattung. Wenn Entscheidungen „Im Namen des Volkes“ durch Gerichte getroffen werden, hat die Öffentlichkeit (das Volk) ein Recht, sich mit diesen Entscheidungen kritisch auseinanderzusetzen. Der Rechtsstaat benötigt deshalb eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit an den gerichtlichen Verfahren einschließlich der Darstellung aller Akteure und dem Ergebnis des Prozesses. Deshalb sind Verfahren öffentlich und nicht mehr geheim. Die Kontrolle der Gerichte durch die Öffentlichkeit hat Verfassungsrang. Der Fall Gustl Mollath belegt diesen Anspruch eindrucksvoll.

Berichte über gerichtliche Entscheidungen sind nach dem Urteil des legendären SPIEGEL-Gerichtsreporters Gerhard Mauz jeweils „Berichte zur Lage der Nation“. Mauz lobte schon 1983 im Vorwort von Erwin Tochtermanns Buch „Die Leichen im Keller der bayerischen Justiz“ dessen Artikel als Gerichtsberichterstatter der Süddeutschen Zeitung, weil „die Strafjustiz Beobachter braucht, deren Fassungslosigkeit ungebrochen und nicht zu brechen ist“. Das Verfahren Gustl Mollath dreißig Jahre später wäre ohne die vielfältigen Bemühungen um Öffentlichkeit noch tragischer verlaufen. Die Medienöffentlichkeit jeglicher Art und der darauf fußende Diskurs haben so etwas "bewegt".

Sascha Pommrenke/Marcus B. Klöckner (Hrsg.), Staatsversagen auf höchster Ebene – Was sich nach dem Fall Mollath ändern muss, Westend Verlag, Frankfurt, 2013, ISBN 978-3-86489-062-8, 12,99 €