Für "FOCUS Online" schreibt Prof. Dr. Fricke regelmäßig über aktuelle mediale Ereignisse. Die Ermittlungen gegen den Blog „netzpolitik.org“ wegen Landesverrat führten zu einem Staatseklat. Generalbundesanwalt Harald Range wurde auf Antrag von Bundesjustizminister Heiko Maas in den Ruhestand versetzt. Aber was bezweckt Heiko Maas damit?

Den Artikel bei FOCUS Online finden Sie hier und im Folgenden:

Der Generalbundesanwalt Harald Range kam mit FDP-Parteibuch 2011 zu seinem hohen Amt. Per Presseerklärung hat der Bundesjustizminister Heiko Maas gestern um 18:36 eine Stellungnahme „zu den Äußerungen von Generalbundesanwalt Range“ mit seiner Ministerversion verschicken lassen. In Ziffer 3 heißt es: „Die Äußerungen und das von Generalbundesanwalt Range heute gewählte Vorgehen sind nicht nachvollziehbar und vermitteln der Öffentlichkeit einen falschen Eindruck.“ Das Fazit: „Das Vertrauen des Bundesjustizministers in die Amtsführung von Generalbundesanwalt Range ist nachhaltig gestört.“ und „im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt noch heute beim Bundespräsidenten die Versetzung von Generalbundesanwalt Range in den Ruhestand beantragt.“ Als Nachfolger schlägt Heiko Maas den „Generalstaatsanwalt aus München, Herrn Dr. Peter Frank, vor“. Das ist ein Staatseklat.

Noch ungewöhnlicher ist, dass das Bundesjustizministerium auf seiner Homepage quasi eine „Gegendarstellung“ zu den Äußerungen des amtierenden Generalbundesanwalts Range und den angeblichen Äußerungen des Justizministers Heiko Maas publiziert.

Eigentlich geht es „nur“ um Ermittlungen wegen Landesverrats beim Generalbundesanwalt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte durch seinen Präsidenten Hans-Georg Maaßen eine Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft eingereicht. Die Strafanzeige richtete sich zwar gegen „unbekannt“ hieß es offiziell, tatsächlich kamen die zwei Verantwortlichen des Internetblogs „netzpolitik.org“ namentlich in der Anzeige des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, vor.

Erst als sich die Öffentlichkeit aufgrund der breiten medialen Berichterstattung die Frage stellte, was bedeuten Ermittlungen wegen Landesverrats im Jahr 2015 für die Pressefreiheit, kam ein Karussell in Bewegung und drehte sich immer schneller. Der Bundesjustizminister Maas äußerte sich: „Ich habe dem Generalbundesanwalt mitgeteilt, dass ich Zweifel daran habe, ob die Journalisten mit ihrer Veröffentlichung die Absicht verfolgt haben, die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen.“ Die Bundeskanzlerin stimmt dieser Bewertung aus dem Urlaub zu, ebenso der Innenminister Thomas de Maizière. Der Generalbundesanwalt will bereits bei Einleitung des Ermittlungsverfahrens Mitte Mai 2015 seine Behörde angewiesen haben, in Hinblick auf „das hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit“ keine Maßnahmen gegen die in der Anzeige gegen Unbekannt genannten Journalisten einzuleiten.

Der Justizminister drängte seinerseits auf die Rücknahme eines Gutachtensauftrags an einen unabhängigen Sachverständigen durch Generalbundesanwalt Range zur Frage, ob der Tatbestand des „Landesverrats“ gegeben sei oder eher nicht. Der Justizminister gab gleichzeitig selbst aus seinem Haus ein Gutachten zum gleichen Thema in Auftrag, obwohl er erst letzten Donnerstag von den Ermittlungen erfahren haben will.

Darf man der „Gegendarstellung“ auf der Homepage des Justizministeriums Glauben schenken, sollte Range sein Gutachtensauftrag zurücknehmen und für den weiteren Gang des Verfahrens „der vom Bundesministerium für Justiz angekündigten Einschätzungen zu den offenen Rechtsfragen vorbehalten bleibt“.

Der Bundesjustizminister in einer Doppelrolle als Generalstaatsanwalt? Die ganze Bundesregierung stimmt diesem Vorgehen des Justizministers zu?

Als der 67 Jahre alte Generalbundesanwalt, der nichts mehr zu verlieren hat, sich dann auch noch öffentlich äußert: „Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint, ist ein unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz.“, dreht sich das Karussell schon so schnell, dass der erste Amtsträger rausgeschleudert wird. Der Grund für Maas: „Ranges Provokationen können nicht ungeahndet bleiben.“

Was steckt dahinter? Will der Jurist Heiko Maas als Bundesjustizminister nicht nur den Mordparagraphen ändern, sondern auch den schwammigen Straftatbestand des „Landesverrats“ konkludent abschaffen? Will der Jurist und Justizminister Heiko Maas die Bundesanwaltschaft zu einem untergeordneten Teil seines Ministeriums verkommen lassen?

Oder suchte man einen Buhmann für viele Defizite der vergangenen Jahre, die nicht eingeleiteten Ermittlungen gegen Unbekannt wegen der NSA-Affäre, nicht einmal als das Handy von Bundeskanzlerin Merkel nachweislich abgehört wurde? Waren es Versäumnisse im Rahmen der NSU-Verfahren in diversen Untersuchungsausschüssen wo erfolglose und unterlassene Ermittlungen der Bundesanwaltschaft im Fokus standen? Oder ist es ein letztes Zeichen der amtierenden großen Koalition: Wir können auch ohne FDP?

Fragen über Fragen, die möglicherweise ein Untersuchungsausschuss klären wird. „Gegendarstellungen“ auf der Homepage eines Ministeriums haben in jedem Fall Seltenheitswert, insbesondere wenn sie sich auf die Äußerungen eines unabhängigen Generalbundesanwalts in Deutschland beziehen.